Der Junge muss an die frische Luft
Meine Kindheit und ich
100 min | Director: Caroline Link | 2018 | Germany | German with English subtitles
Anfang der 1970er Jahre in der Ruhrgebietsstadt Recklinghausen: Die Familie des achtjährigen Hans-Peter (des späteren Hape) zieht vom Haus der Großeltern väterlicherseits im ländlichen Teil der Stadt in das Haus der Eltern der Mutter im Nordviertel, wo Hans-Peter aufwächst. Seine Oma Änne betreibt ein kleines Lebensmittelgeschäft, nach dem Aufkommen von Discountern und Supermärkten etwas verächtlich als Tante-Emma-Laden bezeichnet. Dort beobachtet er Kunden, hört ihre Klatsch- und Tratschgeschichten und spielt diese dann seiner Oma auf komödiantische Weise vor. Seine Familie bringt er mit seinen Parodien von Menschen aus dem Umfeld oder auch Prominenten aus dem Fernsehen ebenfalls zum Lachen. Sein Vater ist Schreiner und auch oft längere Zeit auf Montage, so dass neben der Hausarbeit auch die Erziehung von Hans-Peter und seinem großen Bruder Matthes meist an Mutter Margret hängen bleibt und sie sich daher überfordert fühlt.
Oma Änne kauft ihren Enkelkindern ein Pferd samt Kutsche und Stall. Als Hans-Peter, ein unsportliches, moppeliges Kind, es trotz Hilfestellung beim ersten Mal nicht gelingt, das Pferd korrekt zu besteigen, kaschiert er einfach seine Ungeschicklichkeit, indem er kurzerhand ein paar Runden falsch herum sitzend reitet, was die ganze Familie belustigt.
Das Zusammenleben der Großfamilie mit Großeltern, Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen verläuft nicht immer reibungslos, ist aber geprägt durch menschliche Wärme und Zusammenhalt, was bei den ausgelassenen und ausschweifenden Familienfeiern zum Ausdruck kommt. Beide Großeltern und besonders die beiden Großmütter kümmern sich liebevoll um die Erziehung des Jungen. Sie sind Bezugspersonen und emotionale Stütze für Hans-Peter. Als er bei einer Karnevalsfeier als Prinzessin verkleidet erscheint, verdrehen einige amüsiert die Augen, aber Oma Bertha erklärt resolut: „Hans-Peter bleibt eben Junggeselle! Und nun ist Schluss!“ Oma Änne sagt ihm kurz vor ihrem Tod sogar eine große Karriere voraus.
Nach einer Kieferhöhlenoperation, durch welche die Mutter Geruchs- und Geschmackssinn verliert, verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Mutter. Ihre psychischen Probleme verstärken sich und sie verfällt immer mehr in eine Depression. Hans-Peter gelingt es deshalb immer seltener, sie mit Späßen aufzuheitern. In dieser bedrückenden Situation äußert Opa die Feststellung, die den Filmtitel bildet, und verbringt mit Hans-Peter zwei Wochen in den Bergen. Unterdessen geht es der Mutter immer schlechter, einen Klinikaufenthalt lehnt sie jedoch ab.
Eines Abends versucht sie, gesundheitlich geschwächt und zermürbt von ihrem depressiven Zustand, sich mit einem Medikamentenmix das Leben zu nehmen. Sie verliert das Bewusstsein, während Hans-Peter, der den Ernst der Lage nicht richtig einschätzen kann, neben ihr im Bett einschläft. Als der Vater am Morgen von der Nachtschicht heimkehrt, ruft er sofort den Rettungsdienst, doch jede Hilfe kommt zu spät; sie verstirbt einige Tage darauf in der Klinik. Für Hans-Peter ist dieser Suizid ein traumatisches Erlebnis. Während der Trauerfeier schleudert er plötzlich seinen Blumenstrauß mit einem Wutschrei vor den Sarg, rennt ins Freie und verkriecht sich dort. Aber auch in dieser Krise fängt ihn seine Familie verständnisvoll auf. Er gibt sich eine Mitschuld am Tod der Mutter. Wiederholt ist im Film die Voiceover-Stimme des Jungen zu hören, er hätte sich mehr anstrengen müssen, um seine Mutter zu retten.
Nach ihrem Tod ziehen die Großeltern väterlicherseits ins Haus und übernehmen die weitere Erziehung von Hans-Peter. Bei einem Hausbesuch, auf den er Oma und Opa geschickt vorbereitet hat, stimmt Frau Höttermann vom Jugendamt dieser Lösung schließlich zu.
Als Hans-Peter in der Schule in einem Theaterstück die Hauptrolle des Hans Dampf übernehmen soll, lehnt er zunächst ab. Als er sich besonnen hat, ist nur noch eine kleine Nebenrolle als griesgrämiger Nachbar mit einer einzigen Textzeile für ihn zu haben. Seinen Auftritt bläht er spontan satirisch dermaßen auf, dass er den gesamten Saal zum Lachen bringt; seine Verkleidung ähnelt dem späteren Horst Schlämmer.
Am Ende schwenkt die Kamera auf die alte Eckkneipe, die es noch heute gibt. Drinnen läuft auf einem großen Bildschirm ein Beitrag von Horst Schlämmer, einer Kunstfigur des inzwischen erfolgreichen Fernsehstars Hape Kerkeling. In der letzten Filmsequenz laufen alle Verwandten und Freunde ausgelassen über eine Wiese, und der kleine Hans-Peter dreht sich um und erblickt den erwachsenen Hape, der ihm zuwinkt. Im Schlussmonolog aus dem Off wird ihm bewusst, wie sehr ihn all diese Menschen geprägt haben.